Sonntag, 28. Dezember 2008

Robert Atzlinger

Sein Kommentar zu den "Christkindern" ist einfach zu gut, um ihn in den Kommentaren zu verstecken. Hier also der von mir sehr geschätzte, ja bewunderte (Theater)Autor Robert Atzlinger ("Rinderschlitzen" z.B. unbedingt anschauen):

ja, weihnachten hatte dann doch angst zwei christkinder zu hervor zu kriegen, zwei krippen, zwei ochsen, zwei eseln, zwei marias, zwei josefe, sechs heilige könige, zweifach weihrauch, zweifach gold, zweifach myrthe, umgeworfene tische in zwei tempeln, doppelt so viele wunder später, 10 fische und hunderttausend hungrige satt, zwei lazaren, vierundzwanzig apostel, zwei mariae magdalenae, zwei esel mit palmzweigen, zwei abgehauene ohren, sechs hahnenschreie bis zum verrat, zwei judasse, zwei schüsseln mit doppelt brot um reinzutunken die verräterhände (auch zwei), zwei pontiusse und zwei pilatusse, zwei heroden (oh gott, zwei? - ist nicht einer schon fünf?), zwei kreuze, also insgesamt sechs auf golgatha, und zwei grabsteine weggerollt, und zwei ungläubige thomase und zwei kleine große die sitzen zur rechten gottes, zu richten über die lebenden und die toten, man müsste ja alles umschreiben, die ganze bibel samt apokryphen, die hälfte der psalmen, fast alle kirchenlieder, müsste viele kirchen umbenennen etwa "herzen jesusse kirche", ganz zu schweigen wenns mädchen sind, leute, hallo, dann könnte man ja gleich für eine josefa ratzinger bitten und beten, nicht nur einen schwarzen omnipräsident in den staaten, sondern eine weibliche zwillingspäpstin in rom, hurra, endlich mal was los, ich freu mich sehr, aber ihr beide, ihr klinikaspirantInnen, ihr müsst verstehen, das wär alles ganz schön lustig, aber einfach zu teuer, alles das umzubenennen und zu schreiben, und wir haben ja wirtschaftskrise, ja, und selbst die volkszählung von damals müsste man noch mal aufrollen, weil da würd es sicher einsprüche geben, und dann hättet ihr lieben gar keine ruhe mehr, weil das würd man alles euch auflasten und auflisten, und denkt nur an floridarolf, der hat ein paar hunnis gestaubt, und wird heut noch zitiert, von mir hier zum beispiel, also macht doch ein steffanipärchen, oder ein silberwesterpärchen, oder ein neujahrspärchen, oder ein zweiterjanuarpärchen, das fänd ich sowieso passend, weil dann müssten die kleinen die kracher erst in einem jahr hören, und zweiter januar als datum für zwei zwillinge, das ist ja super, das wünsch ich euch, und herzlichst aber hallo, liebste grüße, robert

Rettung und Geburtstermin

So, Rostislav, ich habe deinen Text mal lesbar gemacht und hoffe, dass ich die Formatierungen nicht allzu sehr verändert habe. Werde den Text aber erst später in Ruhe lesen. Und du siehst, wir müssen das Problem mit dem -mehr- lösen.
Wichtige Neuigkeit: Wir haben mit der Hebamme heute beschlossen, die Geburt am Dienstag einzuleiten!
Hatte eine wunderbare mail von Robert Atzlinger bekommen als Kommentar zu den Christkindern, aber leider hat yahoo gerade Probleme mit dem Server.
Also drückt uns alle die Daumen!
Vielleicht melde ich mich später nochmal.

Hier mal ein Versuch einen etwas längeren Text zu posten, den ich großspurig ein Stück nenne. Viel Glück beim lesen:


DINGSDA

I. ihr seid da draußen wir sind hier drin.

ein riesiges hölzernes pferd. vielleicht auch nur sein kopf.

wir bleiben drin

ja ja

wir kommen nicht raus

nein nein

auf keinen fall

niemals

vergesst es

da könnt ihr warten bis ihr schwarz werdet

oder rot

oder karriert

oder bis das abo ausläuft

noch da

warum eigentlich

ganz ehrlich an eurer stelle wäre ich längst weg

geht einfach heim

zu kind und kugel

kegel

ja kegel

kugel und kegel

geht nach hause

und parkt euren blick in eure eignen abgründe

hier gibt es jedenfalls nichts mehr zu sehen

also nur keine falschen hoffnungen

wir werden nicht nachts hier rausschleichen

und euch aus eurem tiefschlaf aufrütteln

oder euch aufschütteln wie ein federbett

wir gehen nicht mit fleischermessern durch eure schlafzimmer

oder mit roten laternen durch eure geschichtsbücher

wir öffnen nicht eure tore um die plündernden horden über eure Stadt zu bringen

wir legen keine feuer an eure häuser

oder an eure herzen

wir gießen kein öl in eure empörung

wir werfen keine bomben durch eure nächtlichen fenster

hinein in das friedlich stille grauen eurer wohnungen

wir zerreißen nicht die kopfsteinpflaster eurer marktplätze

und nicht die glas und betonfassaden eurer einkaufszentren

um uns dann mit kalten händen und dreckigen fingernägeln für euch durch eure blutigen herzen zu wühlen

auf der suche nach der angst und der schuld in euren gefäßen

wir sind keine engelsflügel mit denen ihr in die gereinigte luft gehen könnt

und wir haben auch keine leitern dabei um euch aufs dach zu steigen

wir tragen keine sieben schüsseln mit wasser

und blasen nicht in sieben trompeten

glaubt also ja nicht dass wir gekommen sind um euch zu verdammen

das werden wir nämlich nicht tun

wir bleiben hier drin

was glaubt ihr denn wer wir sind

und wer ihr seid

selber schuld wenn ihr euch was anderes erhofft habt

wir haben euch jedenfalls nichts versprochen

ihr habt uns zu euch reingeholt

wir haben uns nur aufgestellt vor eurem tor

mit unserer verpackung

dieser wunderschönen dauerhaften verpackung

die wir abgepaust haben aus irgendeinem alten buch

und da standen wir also

und ihr habt uns gesehen

in unserer montur und ihrem unvergänglichen zauber

und ihr seid reingefallen auf uns

als ihr gesehen habt wie verdammt gut wir damit aussehen

da habt ihr euch alle gedacht

das ist ja toll

das ja so toll so unglaublich toll

das ist so wunderschön

und so bedeutsam

das müssen wir haben dieses wunderschöne bedeutsame ding

habt ihr euch gedacht

das müssen wir unbedingt für uns haben für uns ganz allein

so ein schönes messer wäre eine freude für unsere kehlen

habt ihr euch gedacht

und dann habt ihr beschlossen dass ihr uns wollt

ihr habt euch in die hände gespuckt und ihr seid rausgegangen aus eurer stadt

ihr habt einen strick um unseren hals gelegt

und dann habt ihr gezogen

ihr habt alle an einem strang gezogen

bis wir bei euch waren

oder so dachtet ihr es wenigstens

als ihr uns stehengelassen habt auf eurem marktplatz

und seelenruhig zurückgingt

gemachte menschen in gemachte betten

und ihr dachtet den rest würden wir besorgen

die feuer die vernichtung und den krieg würden wir besorgen

aber da habt ihr euch geschnitten

weil ihr euch selbst nicht schneiden wolltet

wir haben uns nur als falle getarnt

wir haben uns augenklappen aufgesetzt auf die gesunden augen

und den krieg haben wir uns mit schminke gemalt in unsere langweiligen gesichter

ihr seid drauf reingefallen

pech gehabt

es war alles umsonst

es hat euch alles nichts gebracht

ihr habt geschuftet und nichts dafür rausbekommen

und nicht weniger als nichts

wir explodieren nicht

wir brennen nicht lichterloh

und leuchten nicht blutrot durch sturmwolken

wir sind blindgänger

wir sind taubgänger und stummgänger

wir halten den mund

wir halten an

und wir halten an uns fest

wir verhungern

wir verdursten

wir ersticken

aber sonst tun wir nichts

also

keine bringschulden meine Lieben

wir können uns auch anschweigen

also das heißt ihr tut was ihr wollt

und wir werden schweigen

ihr könnt eure handflächen gegen einander schlagen und hoffen dass es wie zustimmung klingt

und wir werden schweigen

ihr könnt uns bitten

ein flehen auf den lippen ein flehen in den augen

und mit allem wedeln was eure geldbeutel

und eure tränensäcke hergeben

und wir werden schweigen

ihr könnt erstaunt sein oder empört

könnt zeter und mordio schreien

oder bravo

revolution oder

konterrevolution

was euch einfällt könnt ihr schreien

und wir werden schweigen

aber trotzdem

trotzdem

trotzdem werden wir nicht euch anschweigen

wir werden nicht für euch schweigen und nicht mit euch

wenn wir schweigen dann schweigen wir für uns

allein

das hier hat nichts mit euch zu tun

ihr seid hier draußen und wir sind hier drin

ihr seid hier draußen und wir sind hier drin

ihr seid hier draußen und wir sind hier drin

aber vielleicht tut es ja

gar nichts

II. das ist nicht mein kampf. das kenne ich nicht.

das pferd geht auf. menschen in schicken klamotten kommen heraus und beginnen ein grillfest aufzubauen.

schund schund und schund über schund so weit das auge reicht. und wenn sie kurzsichtig sind meine lieben leser dann sogar noch ein stück weiter. das müssen sie uns jetzt bitte glauben. aber sie wissen ja das ganze leben ist ein text und wir sind nur die schreibmaschienen. man stellt ja auch einem jeden erstbeliebigen backfisch nicht gleich die grätenfrage. und eine feuerleiter am balkon haben heißt nicht unbedingt vor aktualität zu brennen. kunst kommt eben doch von können denn wenn sie von denken käme hieße sie dunst. das ist kein schwank und kein schwanengesang das ist ein unkenruf von unten. nur bitte erwarten sie nicht von uns nur weil wir hier gerade erste zarte dichtertriebe sprießen lassen aus diesem unseren gemeinsamen mund das wir ihnen die nächste große welle der empörung vorhersagen vor dem sicheren binnenmarktshafen ihres herzens. wenn sie eine seismographikkarte ihrer gefühle haben wollen lassen sie ihren rechner aufstocken im lebensvermittlerdiskont und holen sich ihre performance da ab. das ist ihnen zu blöde? nun seien sie doch nicht so. seien sie anders. so wie der da. oder die da. oder wer auch immer. ich meine sagen sie doch endlich einfach ja zum großkapitalismus. was verkündet diese marx&engelserscheinung da auf dieser litfaßsäule der erkenntnis? der heiland wird kommen und er wird sein eine sojabohne? nehmt hin diese tofuwurst denn sie ist ein nährstofftechnisch vollwertiger ersatz für meinen leib und diesmal dürfen sie ausnahmsweise mal dran glauben und nicht immer nur die armen tiere. das ist ja schön. das ist ja eine gute Nachricht und etwas woran man sich festhalten kann um nicht zu verfallen mitsamt der guten alten werte und der papiere auf den sie stehen. sie haben ein herz aus gold na sehen sie ein guter mensch zu sein zahlt sich eben doch aus auf diesem jahrmarkt der einsamkeiten ich meine gemeinheiten ich meine gemeinsamkeiten. vertrauen darauf dass eine bessere welt möglich ist und dass man selbst maßgeblich dazu beitragen kann ist gut aber lebensmittelkontrollen sind meist besser. nicht das sie sich noch aufessen vor lauter liebe zu sich und ihren ganz eigens für sie von ihnen selbst ausgedachten überzeugungen. so einen dicken roten seidenen faden zu verlieren wär' schon ein kunststück. und auch wenn diese masche nicht von pappe ist einen pullover kriegt man so nicht für die welt gestrickt zumindest keinen aus echtem wollen. wenn man schon so weit nach links abdriftet beim abfahren in dieser graphisch nicht und nicht darstellbaren demokurve muss man sich eben vermitteln können. ganz einfach. kocht ihnen da nicht auch der kopf über vor gerechtem zorn immer wenn sie hören wie irgendwo wo auch immer diese armen und diese armen kinder also die kinder dieser armen hungern müssen? wie da ist sogar etwas von ihrem herzen in diesen spendenteller hier übergeflossen? man gibt ja so gerne und wenn es nur der eigene schmerz oder ein anderer schlechter scherz ist. also auf zum angriff auf das geschlecht des menschengeschlechts. ein kopfstein und ein trostpflaster. und bitte gebt mir ein pamphlet dazu zu diesem punkrock damit ich ihn da einwickeln kann nicht das meine schicke hose noch dreckig wird. in einem land in dem menschen verbrannt werden werden bald auch menschen verbrannt. Auf diesem Blatt steht: das steht auf einem anderen blatt. sie haben die kellertür zu ihrem herzen nicht zugemacht als es noch ging und jetzt haben sie den gemischten salat und dürfen nicht mal mehr aussuchen ob mit oder ohne zwiebeln. ja mein schatz du siehst dick aus in dieser form von widerstand gegen den westlichen imperialismus und die erhöhte polizeipräsenz in bundesdeutschen innenstädten. und nein diese erhobene faust ist ein für alle mal gestrichen von der gestenliste. glauben sie uns wir können nicht aufhören mit diesem effekthaschisch. es tut uns leid aber wir können nicht einfach unseren mund halten denn sonst müssen wir wieder anfangen nachzudenken über dieses häppchening hier das wir unser leben nennen. und das hält man nicht aus das hält man doch einfach nicht aus.

das grillfest steht

III. wir gehen kaputt. kommt ihr mit?

Jetzt wird gegessen.

so

so

oder so

wir sind jetzt bei euch

glücklich

seid ihr glücklich

wir sind es

nicht

die trennung hat nicht stattgefunden

und während wir versucht haben etwas zu tun

habt ihr längst etwas mit uns getan

ihr habt uns etwas angetan

und wir straucheln

wir torkeln

und wir wissen

wir werden den mangel behalten

müssen

wir lassen los

wir haben nichts mehr loszulassen

das makeup ist zerlaufen

und unter der schmiere kann man

sie sehen

unsere langweiligen gesichter

das hier hat mit uns zu tun

uns allen

da können wir nichts mehr machen

wir sind da

wir werden da gewesen sein

und wir sind da selber schuld

wir sind da

mit händen

mit fingern

an den nichts klebt

ringen wir

mit worten

wir sprechen

wir sagen

die flugzeuge sind entführt

die gefühle sind verletzt

die herzen sind gebrochen

alles ist verloren

alles ist nicht verloren

es geht nicht um uns

es geht nicht um euch

es geht nicht

wir sind da

alle

die trennung hat nicht stattgefunden

es ist nichts geschehen

wir sind da

wir sind bei euch

wir sprechen

wir sprechen

für euch

liebt uns

bitte

liebt uns

die trennung hat nicht stattgefunden

und zusammengewachsen bleibt

was nicht zusammen gehört

und jetzt

jetzt geht es weiter

wahrscheinlich

der körper zerfällt nicht

zwangsläufig


Samstag, 27. Dezember 2008

Willkommen

Schön, dass Rostislav endlich hier ist. Sofern ich später noch Zeit habe, werde ich noch ein bißchen an unserem -mehr- Probelm arbeiten und vielleicht über google einen passenden htlm-Befehl finden.
Habe endlich die "Satanischen Verse" gelesen: starke Bilder, interessanter Satzbau, schöne Korrespondenz mit Michail Bulgakows "Der Meister und seine Margharita", übrigens auch eines meiner Lieblingsbücher und das schon seit 1989, im moment sehr in Mode, und Mulischs "Entdeckung des Himmel".

Donnerstag, 25. Dezember 2008

So, da bin ich also auch

Jetzt ist es also so weit. Ich bin da. Freue mich schon irgendwie hier was zu veröffentlichen.

Hier etwas, was in diesem Moment mir in den Kopf kommt. Ich glaube es ist Lyrik, oder so etwas ähnliches (frei nach der Definition: Wenn am Zeilenrand noch Platz ist, ists Lyrik).

Der warme Wind kühlt nicht deine
Holunderlimonade
Das Wasser frisst an den Pfeilern bald
gibt es diesen Steg nicht mehr

Die Sachen, die dir durch den Kopf gehen
Ja, was sind das eigentlich für Sachen?
Du trinkst
Du schluckst
Schön, dieser Untergang der Sonne

Warten auf die Christkinder

Unsere christkinder, die Zwillinge lassen auf sich warten... Die Spannung steigt, beinahe hätte es schon einen Kaiserschnitt gegeben, aber dann war es wohl er organistatorisch als medizinisch begründet, so dass es bei einer Nacht in der Klinik blieb. Risiken bleiben, mal sehen wie wir weiter verfahren, aber die Spannung steigt.
Habe die Einstellung gefunden, dass jeder Leser auch schnell anonym einen Komentar abgeben kann.
Hier beginnt der Satz..../mehr>Mal ein Versuch, an dem man irgendwie weiter arbeiten kann.

Samstag, 20. Dezember 2008

Wachkoma

Ellbogen aufgestützt
stehst du auf
rollender Treppe,
dumpfes Summen
langsam aufwärts, abwärts,
mattes Licht.
Klischee klafft im offenen Mund.

Wer zog die Notbremse?
Ein Ruck.
Freudige Füße trappeln
ungestüm die Treppe empor.
Neonröhren funkeln hell.

Montag, 15. Dezember 2008

Dichtung und Wahrheit

Die Auswahl der anstehenden Wettbewerbe ist ja nicht sehr ergiebig. Das Skurrilste ist die Auschreibung "Über die Dichtung" einer Firma, die industriell Dichtungen produziert, u.a. mit dem Slogan "Wir sind Dichter". Das ist so schlecht, dass es beihnahe schon wieder gut ist. Andererseits ist für den Otto-Normal-Leser Lyrik noch überwiegend mit Naturbilder verbunden, obwohl spätestens seit den Dadaisten genügend andere Strömungen existieren. Die Ästhetik eines Müllheizkraftwerkes, die Filigranität eines Computerchips oder die Geschwungenheit eines Kotflügels sind da schwer zu vermitteln, obwohl lange nichts Neues mehr. Das wäre also ein Argument, absurderweise teilzunehmen. Deutschland, deine Naturvereehrung...! (Zweifele jeden Winter an der sogenannten Lebensfreundlichkeit dieses Planenten).
Werde auf jeden Fall noch mal alles sortieren und dann schauen, wo es sich lohnt etwas einzusenden.
P.S. Zeitproblem ist gelöst, war noch die Pazifische eingestellt.

Samstag, 13. Dezember 2008

Diskontinuität, Winterbild


Die Uhrzeiten der Posts stimmen nicht, warum auch immer. Die Zwillinge machen weiterhin keine Anstalten zu kommen, d.h. ich bleibe in "Lauerstellung". Im Lichte der Kinder komme ich nicht umhin einen Blick auf die scheinbare Kontinuität meines Lebens zu werfen. Doch niemand kann einem so fremd werden, wie man selbst. Ich habe weder den Willen, noch die Fähigkeit mein Leben in das Korsett einer illusionären Kontinuität zu zwängen, ich würde mich sogar zu manchen Zeiten nicht einmal kennen lernen wollen, nicht aus Abneigung, sondern aus Desinteresse.
Es gibt Schnee und ich habe einen Handy-Schnappschuss gemacht, der "lyrisch" genug ist, um hier seinen Platz zu finden. Außerdem kann ich so mal versuchen ein Bild zu posten.

Scheint zu klappen, nur dass das Bild an den Anfang des Post rutscht.
Es wird Zeit, dass ich mich wieder über aktuelle Wettbewerbe informiere, denn die letzte Einsendung ist schon eine ganze Weile her.
Rostislav hat gerade kein Netz (Anbieterwechsel) und Rose steigt aus zeitlichen Gründen erst im Februar ein.
Bin schon auf die angezeigte Uhrzeit gespannt.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Statt Kurzvita

Vielleicht sind Lieblingsbücher aussagekräftiger, die Beschränkung, die Auswahl wird nicht einfach sein. Da fehlen dann natürlich viele gute Bücher, wie z.B. T. Glaviniv "Die Arbeit der Nacht", das als Buch sozusagen mit der Lansfrau Haushofer kommuniziert, J. Echenoz "Am Piano", J Goebel "Freaks", J.C. Oates: "Im Dickicht der Kindheit" u.a. Dafür habe ich die Breidenstein rechts nur wegen des Umgangs mit der Sprache hereingenommen. Sprachlich genauso interessant ist teilweise Teodora Dimova "Die Mütter". Eigentlich dürfte Bret Easton Ellis auch nicht fehlen. Nun ja, jetzt werden rechts 11 Titel aufgelistet, was wohl schon zu viel ist.

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Zwillinge und eine Geschichte zu Heimat

Hatte doch letztens tatsächlich einen Verdreher in der Blogadresse, wollte ihn googeln und habe festgestellt, dass er noch? nicht zu finden ist. Tja, darum muss ich mich wohl kümmern. Bis die Sache mit dem MEHR geregelt ist, werde ich hier einfach mal einen längeren Text posten, um mir ein Bild machen zu können, obwohl ich in letzter Zeit nicht gerade "produktiv" war. Natürlich ist die baldige Geburt "meiner" Zwillinge große Erwartung, auch beinahe Erstarrung, Lawine, Erdrutsch, Erlösung oder einfach ein Sonnenaufgang. Außerdem hatte ich versucht eine Geschichte für meine 8+10 jährigen Neffen zu schreiben, in Fortsetzungen, nur scheint Jugendliteratur nicht meins zu sein, blockiert mich.

Nun also zum Experiment mit dem längeren Text:

Mutterboden

Er war spät dran. Sie würde schon auf ihn warten. Ein letztes Packet hatte er noch auszuliefern, dann hätte er die heutige Tour überstanden. Vor seinem geistigen Auge sah er Frau Nold, knapp 90 Jahre alt, wie sie ihn, in der Mitte ihres chaotischen Zimmers stehend, erwartete: klein, schlank und agil, mit am Körper anliegenden gestreckten Armen, fast militärisch. Von unten würde sie fragend zu ihm aufschauen und auch im Gespräch würden ihre Arme ihre gestreckte Position nicht verlassen.

„Das darf doch nicht war sein, es hat geblitzt“ schimpfte er laut, bremste den Kleintransporter und bemerkte sofort, dass er in eine Stadt bekannte Radarfalle gefahren war. Er hatte einen Moment nicht aufgepasst. Dies war das zweite Mal innerhalb eines Monats. Das konnte ihn den Job kosten. Er fuhr rechts ran und hämmerte einige Male mit seinen Fäusten auf sein Lenkrad ein. „Warum?“, schrie er so laut, dass er einen Hustenanfall bekam. Vergeblich versuchte er sich zu beruhigen. Wer würde ihn noch einstellen mit seinen 46 Jahren, dicklich wie er geworden war, mit den grauen Haaren, die ihn älter erscheinen ließen. Als Harz IV-Bezieher würde er seine Wohnung nicht halten können. Zitternd setzte er seinen Lieferwagen wieder in Bewegung, lieferte das Packet aus und stellte den Wagen auf dem Firmenparkplatz ab. Glücklicherweise zählte er heute zu den Letzten, so dass er nur wenigen Kollegen ausweichen musste. Was sollte er tun? Er musste wieder zum Blitzer, vielleicht würde ihm dort etwas einfallen.

Da er die letzten Meter zu Fuß gehen wollte, verließ er schwitzend die Straßenbahn. Als er seinen Magen spürte, musste er an ihren Hunger denken. Er war fast zwei Stunden über der Zeit und hatte noch nicht einmal eingekauft. Trotz ihrer Lebhaftigkeit hatte Frau Nold ihre Wohnung seit über einem Jahr nicht mehr verlassen. Nachdem sie bei Kriegsende aus Siebenbürgen geflohen war, wurde sie in Deutschland nie richtig heimisch; wahrscheinlich wurde sie auf Grund ihres hartnäckigen Akzentes ausgegrenzt. Irgendwann war sie dazu übergegangen sich selbst abzukapseln. Er empfand ihre Wohnung mit den zahllosen Stapeln aus Büchern, Zeitschriften und Prospekten immer als eine Art Schutzburg. Jetzt würde sie hungrig sein. Schon gestern hatte sie keine Vorräte mehr, und er vermied es auch bei ihr welche anzulegen, da er Lebensmittel nicht selten Monate später hinter einem der Zeitschriftenstapel in ungenießbarem Zustand wieder fand. Schweißnass erwachte er aus seinen Gedanken. Er hatte die Kreuzung passiert und näherte sich dem Blitzer. Langsam, als ob er etwas auf dem Boden suchte, ging er an ihm vorbei, während er ihn aus den Augenwinkeln gründlich musterte. Der gehasste Kasten befand sich etwa in zwei Meter Höhe und schien sehr massiv zu sein. Der wundeste Punkt würde wohl die Stange sein, auf der der Kasten mit dem Film montiert war. Im Moment, ohne Werkzeug, konnte er nichts tun. Immerhin dämmerte es schon. Der Herbst zeigte sich von seiner vorteilhaften Seite.

Zu Hause durchsuchte er panikartig die Besenkammer nach passendem Werkzeug. Seinen knurrenden Magen ignorierend, betrachtete er eine Handmetallsäge. „Zu langsam“, dachte er. Dann fand er, was er gesucht hatte: die Flex mit Benzinmotor. Der Tank war gut gefüllt. Allerdings reinigte er den Trennschleifer gründlich mit Spiritus, um Fingerabdrücke zu vermeiden. Wer konnte schon wissen, wie diese Nacht weiter verlief. Von weitem bemerkte er das penetrante Blinken seines Anrufbeantworters. Frau Nold würde bereits mehrmals angerufen haben. Im Moment hatte er keinen Kopf für sie, wenigstens einmal musste sie ohne ihn zu Recht kommen. Zum ersten Mal ärgerte er sich über sie. Seit sich ihre Wege vor etwa drei Jahren in dem kleinen Supermarkt in der Nähe ihrer Wohnung gekreuzt hatten und er ihr die Tüten nach Hause getragen hatte, war sie zu einem Lebensinhalt geworden. Während er noch eine alte Sporttasche für die Flex suchte, hielt er inne: diese diffuse Befriedung darüber, dass sie ihn brauchte, erschien ihm plötzlich schal, fast peinlich. Er hatte sonst nichts zu tun gehabt. Er würde sie also nicht anrufen, sondern lieber selber noch eine kleine Stärkung zu sich nehmen. So nervös wie er war, musste er sich zwingen überhaupt etwas zu essen. Er zog sich seine alten Lederhandschuhe an, packte die Flex in die ausgeleierte Sportasche und machte sich auf den Weg. Es war kur vor eins.

Sobald er am Blitzer angekommen war, packte er den Trennschleifer aus, warf ihn an und machte sich an die Arbeit. Vereinzelt fuhren noch Autos vorbei und der Lärm dröhnte in all seinen Gliedern. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis jemand die Polizei riefe. „Auch 60 Jahre nach Hitler, hat dieses Land noch tausend Augen“, pflegte Frau Nold immer zu sagen. Da er den Trennschleifer so hoch wie möglich hielt, spürte er zunehmend das Gewicht der Maschine. Er zitterte, biss erst die Zähne aufeinander, schrie dann gegen den Lärm an, doch bei 12000 Umdrehungen pro Minute war der Mast schneller als erwartet durchtrennt. Der Blitzerkasten fiel krachend zu Boden. Gerade noch rechtzeitig konnte er seinen Fuß zurückziehen. Den Kasten packte er so in seine Sporttasche, dass das letzte Stück des Masts herausschaute. In der Ferne hörte er schon das Martinshorn. Es war höchste Zeit zu verschwinden. Den Trennschleifer ließ er zurück, denn er war vor so langer Zeit gekauft worden, dass er damit keine Spuren hinterlassen würde. Glücklicherweise war der Waldrand nicht weit und er schlug sich in das Unterholz. Der Schweiß triefte seine Stirn hinab und drohte ihm die Sicht zu nehmen. „Als ob der Wald nicht schon dunkel genug ist“, fluchte er. Warum war der Blitzer so schwer? Warum war er so ein verdammter Schwächling? Wie hätte er denn im Mittelalter überlebt. Er musste diese Tasche tragen können. Er nahm sie in seine Arme, drückte den Kasten mit dem verräterischen Foto an die Brust, musste aber trotzdem immer wieder absetzen. Sein ganzes Leben lang hatte er nicht auffallen wollen. Er arbeitete, sparte Geld für später, auch wenn er von diesem Später keine konkrete Vorstellung besaß. Etwas wie Gefängnis war darin allerdings keinesfalls vorgesehen. Wie im Fieberwahn schleppte er sich und die Tasche weiter. Im großen Bogen näherte er sich dem Fluss, musste aber schließlich den Wald verlassen. Während er sich an die Nebenstraßen hielt, bemerkte er, dass sein Blickfeld sich merkwürdig verzerrte. Er musste sich in einer Art Trance-Zustand befinden. Seine Muskeln spürte er nicht mehr, nur in seinem rechten Knie ließ sich ein deutliches Stechen vernehmen. Endlich stand er auf einer Brücke über den Fluss. Weder Mensch noch Auto waren zu sehen, er konnte den Kasten also ins Wasser fallen lassen, ein lautes Aufklatschen, ein Gurgeln, dann Stille. Er drückte die Tasche zusammen und klemmte sie sich unter den Arm. Erleichterung und ein Gefühl der Freiheit breiteten sich schlagartig in ihm aus. Da erschien ihm wieder Frau Nold, in ihrem Zimmer stehend, wie sie ihn anschaute.

Die wenigen Nachstunden, die ihm geblieben waren, schlief er wie ein Stein. Mühsam quälte er sich morgens aus dem Bett, nur kurz hoffte er, dass die letzte Nacht nichts als ein böser Traum gewesen sei. Was würde Frau Nold sagen? In welcher Verfassung würde sie sein? Hatte sie sich dazu durch gerungen bei jemand anderen Hilfe zu suchen, und wenn ja, was würde das für ihn bedeuten? Sollte er überhaupt noch hingehen, wenn das Helfen ihm keine Befriedigung mehr geben konnte? Während seiner Arbeit floss die Zeit nicht nur zäh vor sich hin, sondern er ertappte sich mehrmals dabei, wie er von sich aus langsamer arbeitete, um den Besuch bei Frau Nold herauszuzögern. Schließlich schlenderte er im Supermarkt die Regale entlang, verglich Preise und überlegte was er ihr mitbringen sollte. Er entschied sich für ein halbes Grillhähnchen, das sie immer gerne aß. Nachdem er die Haustüre zitternd aufgeschlossen hatte, stieg er das Treppenhaus hinauf. Obwohl hinter verschieden Wohnungstüren der dumpfe Klang laufender Fernsehapparate zu vernehmen war, begegnete er niemand, überhaupt, wurde es ihm bewusst, war er in diesem Treppenhaus noch nie jemand begegnet. Kurzatmig und schwitzend gelang es ihm nach mehren Anläufen, den Schlüssel in das Schloss ihrer Wohnungstür zu stecken und einzutreten. Sonst hatte er immer geklingelt um sich anzumelden. Zaghaft rief er ihren Namen und begab sich widerwillig ins Wohnzimmer. Da lag sie zu Seite gekippt über einem Haufen Zeitschriften auf ihrem Sofa. Sie sabberte. „Ich bin es, Frau Nold“ flüsterte er und schüttelte sie. Keine Reaktion. Hatte sie einen Schwächeanfall wegen Unterzuckers erlitten? Er horchte nach ihrem flachen Atem und legte seine Hand auf ihren Brustkorb. Sie lebte noch. Augenblicklich beruhigte er sich. Als er in diesem kleinen, nur notdürftig sauber gehaltenen Zimmer seine Blicke über das Chaos gleiten ließ, konnte er nur den Kopf schütteln: „Was mache ich bei dieser Greisin?“

Ihre Vögel waren aufgeregt. Er gab ihnen Wasser und Futter. Auf dem Sofatisch lag ihr Büchlein, dass gleichzeitig als Adress-, Notiz- und Tagebuch diente. Einen Moment lang war er versucht hinein zu schauen, doch er konnte sich ausmalen, was er dort lesen würde: Angst, Zweifel, Vorwürfe. Wahrscheinlich hatte sie sich sogar verraten gefühlt. Die ersten Anzeichen einer aufkeimenden Demenz waren schon erkennbar. Irgendwann würde sie vergessen, dass er schon da gewesen war und ihm Vorwürfe machen, später würde sie ihn nicht mehr erkennen und für einen Eindringling halten. Diese Vorstellung versetzte ihm, nach allem was er für sie getan hatte, einen Stich. Zu guter letzt würde er sie in einem billigen Pflegeheim unterbringen müssen. Alles was er in Zukunft noch für sie tun konnte, würde nur dazu dienen ihr zunehmendes Leiden zu verlängern; falls er wegen dieser Blitzergeschichte nicht sowieso in Knast und Arbeitslosigkeit enden würde.

Der richtige Zeitpunkt, um in Frieden gehen zu können, war gekommen. Er durfte nicht mehr eingreifen. Also kippte er das Fenster und öffnete den Vogelkäfig. Kühle Herbstluft drängte sich ins Zimmer. Ob die Vögel den Weg nach draußen fänden und dort überleben würden? Das musste er dem Schicksal überlassen. Er rüttelte noch einmal an Frau Nold, doch sie kam wohl nicht mehr zu sich. Sicherheitshalber spannte er das Telefonkabel um die Couchtischbeine und lockerte den Stecker nur leicht, so dass es aussehen würde, als ob sie zu stark am Telefon gezogen hätte und sich dabei der Telefonstecker gelöst hätte. Dann packte er ihr Büchlein ein, indem bestimmt auch die Kontakte zu ihm und vor allem seine Telefonnummer festgehalten waren. Unauffällig schlich er sich aus dem Treppenhaus und entfernte sich hastig.

Ihr Büchlein hätte er gerne in Siebenbürger Erde vergraben, doch erschien ihm die Gefahr zu groß es bei sich zu behalten. Wieder ging er in den Wald, allerdings weit entfernt vom Ort, an dem der Blitzer gestanden hatte und verscharrte das Büchlein gemeinsam mit ihren Schlüssel. Bevor der Tod von Frau Nold bemerkt werden würde, würde diese Kladde schon verrottet sein. Auf einem Baumstumpf sitzend, genoss er den Geruch des Waldes.

Ist ja ganz schön klein geschrieben, nicht sehr lesefreundlich, aber lassen wir mal so.